SI-S Stipendium: Preisträgerin Lena Marie Schulz

Im Jahr 2025 wurde erneut ein Stipendium ausgeschrieben, diesmal für die tiefen Streichinstrumente Viola, Violoncello und Kontrabass. Lena Marie Schulz überzeugte die Jury einstimmig mit ihrer differenzierten Interpretation von Werken Schuberts und Schumanns.

Soroptimist International Club Stuttgart (SI-S) Mitglied und HMDK-Professorin Ulrike Sonntag führte mit der Stipendiatin ein spannendes Gespräch über ihre Schwerpunkte und ihr gesellschaftspolitisches Engagement.

Wie sind Sie zur Musik gekommen?

Ein Tag der offenen Tür am Karlsruher Konservatorium und ein sehr unterhaltsamer Cellolehrer kamen da wohl zusammen. Er legte uns Kindern das Cello auf den Bauch und ließ uns die Vibrationen spüren. Dieses “Fühlbarmachen” von Musik war wahrscheinlich die Zündung meiner Faszination. Meinen ersten Instrumentalunterricht erhielt ich allerdings bereits davor auf dem Klavier im Alter von 4 Jahren, gemeinsam mit meiner großen Schwester. Ein paar Jahre spielte ich beide Instrumente, dann entschied ich mich für das Cello. Mir war es wichtig, den Ton selber zu erzeugen und meinen persönlichen Klang zu entwickeln.

Welche Rolle spielten die Lehrpersonen in Ihrem Werdegang?

Eine große Rolle. Generell hatte ich großes Glück mit meinen Professoren, Prof. Mathias Johansen und Prof. Conradin Brotbek, die mir immer wohlgesinnt waren und zu denen ich einen sehr persönlichen Bezug habe. Rückblickend bin ich vor allem für meinen ersten und längsten Lehrer Andreas Köhler dankbar, der mir in meinen Kinder- und Jugendjahren einerseits die Tür zu dieser spannenden Welt geöffnet hat und andererseits alle technischen Grundlagen mitgegeben hat. Davon profitiere ich heute noch. Er legte außerdem schon damals Wert auf eine positive Einstellung zu sich selbst und sprach nie von Fehlern beim Vorspielen. Dieser Umgang ist mir bis heute geblieben.

Warum haben Sie sich für das Cello entschieden, was macht dieses Instrument für Sie so besonders?

Eindeutig wegen des Klangs und der Wandlungsfähigkeit des Instruments. Das Cello ist ein besonderes Instrument. Es deckt die ganze Bandbreite zwischen einer intimen Bach Suite und einer heroischen Sinfonia concertante von Prokofiev ab. Es scheint, es ist ein grenzenloses Instrument.

Zusätzlich deckt sich das Cello auch mit meiner Persönlichkeit und sogar meiner Statur. Ich bin groß und das Cello fügt sich natürlich in meinen Körper ein, wenn ich spiele. Manchmal gelingt es mir, dass ich mich eins fühle mit dem Instrument und nur noch die Musik höre, die ich spiele. Das sind besondere Momente.

Durch den jahrelangen Schwimmsport habe ich mich als Frau oft größer und stärker gefühlt als zierliche und kleine Frauen. Aber das Cello ist auch größer und stärker als eine Violine, bringt aber trotzdem unglaublich viel Eleganz, Ausdruck und Sanftheit mit. Ich habe mich verstanden und passend gefühlt.

Was war in Schweden anders als in Stuttgart?

Unglaublich viel, womit ich zu Beginn gar nicht gerechnet habe. Einerseits der Aufbau des Musikstudiums. Dort ist es nicht üblich, Theorie und Praxis so stark zu trennen wie in Deutschland. Gearbeitet wird in musikalischen Perioden und alle Lehrveranstaltungen beziehen sich auf dieses Thema. Da ich auf Schloss Edsberg studiert habe, was ein Zweig der Stockholmer Musikhochschule ist, lag der besondere Fokus auf Kammermusik.

Aber auch gesellschaftlich war es ein sehr prägender Einblick. Die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau habe ich als deutlich stärker wahrgenommen als in Deutschland. Durch meinen Auslandsaufenthalt ist mir bewusst geworden, dass wir in Deutschland bis zur vollen Gleichberechtigung noch einen weiten Weg vor uns haben.

Wie stellen Sie sich idealerweise Ihre berufliche Zukunft vor?

Ideal wäre eine Festanstellung in einem sehr guten Orchester, gerne auch in einer höheren Position, kombiniert mit einer Lehrtätigkeit. Ebenso kann ich mir vorstellen, mich berufsbegleitend im Gesundheitsbereich, z.B Richtung Physiotherapie weiterzubilden. In der Musikwelt gibt es hier viel Bedarf.

Was interessiert Sie am Soroptimismus?

Mich fasziniert die Vielfalt der Frauen, die dennoch alle zusammen an einem Strang ziehen. Genauso vielfältig wie die Frauen sind auch die Themen, an denen Soroptimist International arbeitet. Es macht mir Mut, zu sehen, wie viel wir Frauen, auch über Ländergrenzen hinweg, gemeinsam erreichen können.

Wofür werden Sie das Stipendiengeld verwenden?

Besonders gegen Ende des Studiums kommen auf uns Musikstudierende erhebliche Kosten zu. Fahrt und Unterkunft zu Probespielen oder Kursgebühren für Meisterkurse gehen schnell ins Geld. Aber auch die Instandhaltungskosten des Instruments, wie neue Saiten oder eine neue Bogenbehaarung, fallen regelmäßig an. Ich bin sehr dankbar für diese finanzielle Unterstützung.

SI-S Stipendium: Preisträgerin Luise Kallmeyer

Die Geigerin und Studentin der HMDK Stuttgart erhält 2024 das Stipendium des Soroptimistclubs Stuttgart (SI-S) . Damit werden Frauen der Studiengänge der Musik und der Darstellenden Kunst gefördert. Dotiert ist es mit 1500 Euro. Wie Luise Kallmeyer zur Musik kam, welche Schwerpunkte sie in ihrem Studium setzt und welches gesellschaftspolitische Engagement sie verfolgt, verrät sie uns in einem Gespräch.

Frau Kallmeyer, wie sind Sie zur Musik gekommen?
Ich mochte schon immer die Schönheit und Kraft, die besonders Musik in mir auslöst. Und natürlich haben meine Eltern eine wichtige Rolle gespielt. Sie haben mich in meinem Kindsein ernst genommen, gingen auf mich ein, wenn ich zu Hause kreative Spiele angefangen oder mir Melodien ausgedacht habe. Gleichzeitig haben sie beide viel musiziert. So hatte ich einen intuitiven Zugang zu Musik, Geschichten und Liedern. Ich konnte kreativ sein, habe auch immer sehr gerne vorgelesen, gemalt und getanzt. Aber die Musik in ihren Ausdrucksmöglichkeiten hat mich am meisten berührt. Besonders erinnere ich mich da an Schlaflieder, Lieder aus dem Gesangbuch, gemeinsames Singen im Kindergarten oder in der Hausgemeinschaft.

Warum haben Sie sich für die Geige entschieden, was macht dieses Instrument so besonders?
Die Geige ist für mich ein organisches Instrument. Weil sie so nah an meinem Ohr klingt, schwingt sie zusammen mit meinem Körper. Es fühlt sich an, als würde ich sie umarmen, wenn ich spiele. Jeder Ton ist zerbrechlich und gleichzeitig voller Gestaltungspotenzial. Ich habe immer viel gesungen und dabei in der Geige mein Instrument gefunden. Die Geige passt gut zu meiner Stimmlage und auch zu mir als Person. Zum Geige spielen braucht es Ruhe und ein bestimmtes Körpergefühl. Wenn ich angespannt, nervös oder ungeduldig bin, dann spiele ich nicht gut. Aber wenn ich geerdet bin und sensibel verfolge, wie das bei der Geige ankommt, was ich tue  (was wir tun), dann kann ich ausdrucksvoll spielen. Die Wechselbeziehung zwischen mir und der Geige fasziniert mich beim Spielen immer wieder.

Sie waren noch sehr jung, als Sie an der HMTM in Hannover Ihr Bachelor-Studium aufgenommen haben. Ein paar Jahre später haben Sie sich entschieden, Ihr Studium an der HMDK in Stuttgart fortzusetzen. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?
Ich habe in Hannover viel über Instrumentalunterricht gelernt, sehr gerne meine Schüler*innen unterrichtet und viel geübt. Ich wollte mich dann aber mehr im künstlerischen Geigenspiel weiterentwickeln. In Hannover sind die Studiengänge Pädagogik und künstlerische Ausbildung immer noch getrennt. Das ist sehr schade, weil sich beides meiner Erfahrung nach gegenseitig belebt. Durch eine Empfehlung bin ich auf die Geigenklassen der HMDK Stuttgart aufmerksam geworden. Hier gefällt es mir nun deshalb so gut, weil sie durch einen zeitgenössischen Schwerpunkt ihr Handeln mit der Gesellschaft verbindet. Durch meine beiden Professorinnen kann ich die Bandbreite von Barockgeige bis zur modernen Geige intensiv erlernen. Dadurch konnte ich einen individuellen Bezug und eine eigene Haltung zu meinem Spiel entwickeln.

Wie stellen Sie sich idealerweise Ihre berufliche Zukunft vor?
Das Berufsbild einer Geigerin ist nicht so fest umrissen. Ich denke, eine gesunde Kombination wäre, Konzerte zu geben, in Ensembles zu spielen und zu unterrichten. Ich würde gerne weiter mit meinem Trio und meiner Duopartnerin viel konzertieren und auch ab und zu Unterricht nehmen.

In Ihrem Motivationsschreiben erwähnen Sie, dass Sie „interdisziplinäre Konzertformate“ organisieren. Was dürfen wir uns darunter konkret vorstellen?
Ich habe in einer Gruppe von Studierenden verschiedener Studiengänge die „Klimabühne“organisiert. Das sind Konzertformate, die sich künstlerisch mit dem Klimawandel auseinandersetzen. Im Frühsommer 2021 haben wir zum Beispiel ein Konzert zusammen mit Aktivist*innen gestaltet, wobei wir Künstler*innen ihre Gedichte in Performances umgesetzt haben. Besonders fruchtbar waren auch immer die Diskussionen im Anschluss an die Konzerte. Wir sprachen z.B. darüber, wie eine Kultur aussehen kann, die in Bezug auf die Erderwärmung und die daraus resultierenden Bedrohungen revolutionär ist. In einem dieser Gespräche habe ich erfahren, dass ein besonderer Wert darin liegt, dass wir mit unserer Kunst die durch den Klimawandel entstehenden Bedrohungen fühlbar machen. Ich denke, dass Gruppen die politisch arbeiten und Künstler*innen in diesem Punkt noch mehr gemeinsam bewirken können. Meiner Ansicht nach enthält künstlerisches Wirken viel Potenzial, um wichtige menschliche Werte zu verteidigen. Auch deshalb wird das Format der Klimabühne semesterweise fortgeführt.

Natürlich fragen wir uns als Soroptimistinnen, warum Sie sich gerade auf dieses Stipendium beworben haben. Was interessiert Sie am Soroptimismus?
Ich würde gern mehr über die Projekte erfahren, für die sich die Soroptimistinnen einsetzen. Was ich aber bei Veranstaltungen und Clubabenden bis jetzt schon erlebt und als wichtig empfunden habe, ist der Austausch unter berufstätigen Frauen. Es ist meiner Meinung nach äußerst sinnvoll, dass sich Frauen auch losgelöst von einer männlichen Mentalität gegenseitig bestärken, und ich schätze es, gemeinsam mit anderen Frauen etwas zu bewirken. Ich sehe in der Serviceorganisation Soroptimist International eine Vereinigung, die als Vorbild für eine demokratische Gesellschaft dient, man unterstützt und kritisiert sich, aber dies geschieht in gegenseitiger Wertschätzung. So habe ich es zumindest bei meinen Besuchen im Stuttgarter Club empfunden.

Biografie
Luise Kallmeyer, geboren 1999 in Braunschweig, hatte von klein auf in ihrer Familie einen musikalischen Hintergrund. Sie lernte zunächst bei der Geigerin und Pädagogin Susanne Busch-Wohlgehagen und begann im Alter von 17 Jahren eine künstlerisch-pädagogische Ausbildung mit Hauptfach Violine an der HMTM Hannover in der Klasse von Meike Bertram-Fischer. Während des Studiums in Hannover arbeitete sie bei Meisterkursen mit Ulf Schneider und Ingolf Turban. Sie beendete ihren Bachelor im Februar 2023 bei Prof. Christine Busch und Prof. Nurit Stark an der HMDK Stuttgart. Momentan studiert sie dort im dritten Semester des Masterstudiengangs.

Luise Kallmeyer verfügt über ein vielfältiges Repertoire von Barockvioline über Kammermusik mit Hammerflügel bis hin zu zeitgenössischer Musik. Sie erhielt Impulse in der Kammermusik von PianistInnen wie Prof. Stefania Neonato und Prof. Péter Nagy. Wiederholt trat Luise Kallmeyer bei Festivals auf, u.a. bei den International Holland Music Sessions, beim Virtuoso & Belcanto Festival in Italien sowie  bei der Festival Academy im Kulturhuset Ytterjärna in Schweden. Sie spielt Geige im Trio Ava, das sie im Sommer 2023 gemeinsam mit der Pianistin Kie Kojima und dem Cellisten Malte Jonas gegründet hat. Neben ihrem künstlerischen Interesse beschäftigt sie sich intensiv mit aktuellen gesellschaftspolitischen Fragen der Zeit. Daher organisiert sie gerne interdisziplinäre Konzertformate. So brachte sie 2023 das Stück „Doppelbelichtung“ für Violine und Zuspiel (2016) von der deutschen Komponistin Carola Bauckholt zur Aufführung.