SI-Stipendium: Preisträgerin Luise Kallmeyer

Die Geigerin und Studentin der HMDK Stuttgart erhält 2024 das Stipendium des Soroptimistclubs Stuttgart. Damit werden Frauen der Studiengänge der Musik und der Darstellenden Kunst gefördert. Dotiert ist es mit 1500 Euro. Wie Luise Kallmeyer zur Musik kam, welche Schwerpunkte sie in ihrem Studium setzt und welches gesellschaftspolitische Engagement sie verfolgt, verrät sie uns in einem Gespräch.

Frau Kallmeyer, wie sind Sie zur Musik gekommen?

Ich mochte schon immer die Schönheit und Kraft, die besonders Musik in mir auslöst. Und natürlich haben meine Eltern eine wichtige Rolle gespielt. Sie haben mich in meinem Kindsein ernst genommen, gingen auf mich ein, wenn ich zu Hause kreative Spiele angefangen oder mir Melodien ausgedacht habe. Gleichzeitig haben sie beide viel musiziert. So hatte ich einen intuitiven Zugang zu Musik, Geschichten und Liedern. Ich konnte kreativ sein, habe auch immer sehr gerne vorgelesen, gemalt und getanzt. Aber die Musik in ihren Ausdrucksmöglichkeiten hat mich am meisten berührt. Besonders erinnere ich mich da an Schlaflieder, Lieder aus dem Gesangbuch, gemeinsames Singen im Kindergarten oder in der Hausgemeinschaft.

Warum haben Sie sich für die Geige entschieden, was macht dieses Instrument so besonders?

Die Geige ist für mich ein organisches Instrument. Weil sie so nah an meinem Ohr klingt, schwingt sie zusammen mit meinem Körper. Es fühlt sich an, als würde ich sie umarmen, wenn ich spiele. Jeder Ton ist zerbrechlich und gleichzeitig voller Gestaltungspotenzial. Ich habe immer viel gesungen und dabei in der Geige mein Instrument gefunden. Die Geige passt gut zu meiner Stimmlage und auch zu mir als Person. Zum Geige spielen braucht es Ruhe und ein bestimmtes Körpergefühl. Wenn ich angespannt, nervös oder ungeduldig bin, dann spiele ich nicht gut. Aber wenn ich geerdet bin und sensibel verfolge, wie das bei der Geige ankommt, was ich tue  (was wir tun), dann kann ich ausdrucksvoll spielen. Die Wechselbeziehung zwischen mir und der Geige fasziniert mich beim Spielen immer wieder.

Sie waren noch sehr jung, als Sie an der HMTM in Hannover Ihr Bachelor-Studium aufgenommen haben. Ein paar Jahre später haben Sie sich entschieden, Ihr Studium an der HMDK in Stuttgart fortzusetzen. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?

Ich habe in Hannover viel über Instrumentalunterricht gelernt, sehr gerne meine Schüler*innen unterrichtet und viel geübt. Ich wollte mich dann aber mehr im künstlerischen Geigenspiel weiterentwickeln. In Hannover sind die Studiengänge Pädagogik und künstlerische Ausbildung immer noch getrennt. Das ist sehr schade, weil sich beides meiner Erfahrung nach gegenseitig belebt. Durch eine Empfehlung bin ich auf die Geigenklassen der HMDK Stuttgart aufmerksam geworden. Hier gefällt es mir nun deshalb so gut, weil sie durch einen zeitgenössischen Schwerpunkt ihr Handeln mit der Gesellschaft verbindet. Durch meine beiden Professorinnen kann ich die Bandbreite von Barockgeige bis zur modernen Geige intensiv erlernen. Dadurch konnte ich einen individuellen Bezug und eine eigene Haltung zu meinem Spiel entwickeln.

Wie stellen Sie sich idealerweise Ihre berufliche Zukunft vor?

Das Berufsbild einer Geigerin ist nicht so fest umrissen. Ich denke, eine gesunde Kombination wäre, Konzerte zu geben, in Ensembles zu spielen und zu unterrichten. Ich würde gerne weiter mit meinem Trio und meiner Duopartnerin viel konzertieren und auch ab und zu Unterricht nehmen.

In Ihrem Motivationsschreiben erwähnen Sie, dass Sie „interdisziplinäre Konzertformate“ organisieren. Was dürfen wir uns darunter konkret vorstellen?

Ich habe in einer Gruppe von Studierenden verschiedener Studiengänge die „Klimabühne“organisiert. Das sind Konzertformate, die sich künstlerisch mit dem Klimawandel auseinandersetzen. Im Frühsommer 2021 haben wir zum Beispiel ein Konzert zusammen mit Aktivist*innen gestaltet, wobei wir Künstler*innen ihre Gedichte in Performances umgesetzt haben. Besonders fruchtbar waren auch immer die Diskussionen im Anschluss an die Konzerte. Wir sprachen z.B. darüber, wie eine Kultur aussehen kann, die in Bezug auf die Erderwärmung und die daraus resultierenden Bedrohungen revolutionär ist. In einem dieser Gespräche habe ich erfahren, dass ein besonderer Wert darin liegt, dass wir mit unserer Kunst die durch den Klimawandel entstehenden Bedrohungen fühlbar machen. Ich denke, dass Gruppen die politisch arbeiten und Künstler*innen in diesem Punkt noch mehr gemeinsam bewirken können. Meiner Ansicht nach enthält künstlerisches Wirken viel Potenzial, um wichtige menschliche Werte zu verteidigen. Auch deshalb wird das Format der Klimabühne semesterweise fortgeführt.

Natürlich fragen wir uns als Soroptimistinnen, warum Sie sich gerade auf dieses Stipendium beworben haben. Was interessiert Sie am Soroptimismus?

Ich würde gern mehr über die Projekte erfahren, für die sich die Soroptimistinnen einsetzen. Was ich aber bei Veranstaltungen und Clubabenden bis jetzt schon erlebt und als wichtig empfunden habe, ist der Austausch unter berufstätigen Frauen. Es ist meiner Meinung nach äußerst sinnvoll, dass sich Frauen auch losgelöst von einer männlichen Mentalität gegenseitig bestärken, und ich schätze es, gemeinsam mit anderen Frauen etwas zu bewirken. Ich sehe in der Serviceorganisation Soroptimist International eine Vereinigung, die als Vorbild für eine demokratische Gesellschaft dient, man unterstützt und kritisiert sich, aber dies geschieht in gegenseitiger Wertschätzung. So habe ich es zumindest bei meinen Besuchen im Stuttgarter Club empfunden.

Biografie

Luise Kallmeyer, geboren 1999 in Braunschweig, hatte von klein auf in ihrer Familie einen musikalischen Hintergrund. Sie lernte zunächst bei der Geigerin und Pädagogin Susanne Busch-Wohlgehagen und begann im Alter von 17 Jahren eine künstlerisch-pädagogische Ausbildung mit Hauptfach Violine an der HMTM Hannover in der Klasse von Meike Bertram-Fischer. Während des Studiums in Hannover arbeitete sie bei Meisterkursen mit Ulf Schneider und Ingolf Turban. Sie beendete ihren Bachelor im Februar 2023 bei Prof. Christine Busch und Prof. Nurit Stark an der HMDK Stuttgart. Momentan studiert sie dort im dritten Semester des Masterstudiengangs.

Luise Kallmeyer verfügt über ein vielfältiges Repertoire von Barockvioline über Kammermusik mit Hammerflügel bis hin zu zeitgenössischer Musik. Sie erhielt Impulse in der Kammermusik von PianistInnen wie Prof. Stefania Neonato und Prof. Péter Nagy. Wiederholt trat Luise Kallmeyer bei Festivals auf, u.a. bei den International Holland Music Sessions, beim Virtuoso & Belcanto Festival in Italien sowie  bei der Festival Academy im Kulturhuset Ytterjärna in Schweden. Sie spielt Geige im Trio Ava, das sie im Sommer 2023 gemeinsam mit der Pianistin Kie Kojima und dem Cellisten Malte Jonas gegründet hat. Neben ihrem künstlerischen Interesse beschäftigt sie sich intensiv mit aktuellen gesellschaftspolitischen Fragen der Zeit. Daher organisiert sie gerne interdisziplinäre Konzertformate. So brachte sie 2023 das Stück „Doppelbelichtung“ für Violine und Zuspiel (2016) von der deutschen Komponistin Carola Bauckholt zur Aufführung.

80 Jahre 20. Juli 1944: Frauen im Widerstand

Kommentar der Soroptimist International Deutschland Präsidentin Manuela Nitsche

Am Samstag jährt sich das von Claus Schenk Graf von Stauffenberg verübte Hitler-Attentat zum 80. Mal. In Berlin wird der regierende Bürgermeister Kai Wegner ein Grußwort und Bundeskanzler Olaf Scholz eine Ansprache halten sowie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier einen Kranz niederlegen – an dem Ort, an dem Claus Schenk Graf von Stauffenberg in der Nacht zum 21. Juli 1944 erschossen worden war.

Adolf Hitler und der ehemalige Reichskanzler und Propagandaminister Joseph Goebbels sprachen kurz nach dem Attentat von einer „kleinen Clique ehrgeiziger Offiziere“, die für den Anschlag verantwortlich seien. Die neuere Forschung zeigt hingegen, dass es sich um ein weitverzweigtes Netzwerk von rund 200 Personen handelte und der 20. Juli sich keineswegs auf das Militär beschränkte: Die Beteiligten stammten vielmehr aus allen Schichten der Gesellschaft. So waren neben den Militärs wie General Erich Fellgiebel oder Oberst Berndt von Kleist, der Sozialdemokrat Julius Leber ebenso beteiligt wie der Theologe Dietrich Bonhoeffer, der Industrielle Walter Cramer, der Gutsbesitzer Heinrich Graf zu Dohna-Schlobitten, der ehemalige Oberbürgermeister von Leipzig Carl Goerdeler oder der Gewerkschaftler Wilhelm Leuschner. 

Lange Zeit wurde die Rolle der im Widerstand tätigen Frauen auf die Rolle der unterstützenden Mitwisserinnen reduziert. Inzwischen wissen wir, dass beispielsweise Marion Gräfin Yorck von Wartenburg als Mitglied des Kreisauer Kreises ebenso gegen das Unrechtsregime kämpfte wie die spätere Psychoanalytikerin Clarita von Trott zu Solz und die Schulleiterin Elisabeth von Thadden. Auch die Reformpädagogin Rosemarie Reichwein, die Lektorin Mildred Harnack-Fish oder die jüdische Kommunistin Lisa Fittko leisteten Widerstand. Die Sekretärin Margarethe von Oventippte mit Handschuhen den Umsturzplan „Operation Walküre“ und andere Befehle, die nach dem Tod Hitlers aktiviert werden sollten. Emmi Bonhoeffer, die Frau von Klaus Bonhoeffer war in die Widerstandspläne ihrer weitverzweigten Verwandtschaft eingeweiht und hatte die Aufgabe von zuhause aus, verschlüsselte Telefonate mit den Mitverschwörern zu führen, um z. B. gespendetes Geld für die Finanzierung des auszurufenden Generalstreiks nach dem gelungenen Attentat in ihrem Haus abholen zu lassen. 

In der Evangelischen Versöhnungskirche Dachau ist seit Kurzem eine Leihausstellung zum Thema „Frauen im Widerstand“ zu sehen. Sie widmet sich auch den eher unbekannten Widerstandskämpferinnen wie der jüdischen Sozialarbeiterin Hannah Karminski oder die Niederländerin Mary Vaders, die im KZ Dachau als Zwangsarbeiterin inhaftiert war. 

In einer Zeit des Populismus und einer erschütterten Demokratie können diese Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit in politischer Weltanschauung, Religion und Parteiangehörigkeit zu Vorbildern werden. Denn sie wagten es, unter der Gefahr ihres eigenen Lebens und das ihrer Familie, gegen ein Unrechtsregime aufzustehen und sich zu engagieren. Ihre Bedeutung liegt in ihrer Unbeirrbarkeit und vor allem ihrem Mut. Von Generalmajor Henning von Tresckow ist ein inzwischen berühmtes Zitat überliefert, das den Willen und die Bereitschaft zum Handeln zeigt: „Das Attentat muss erfolgen, coûte que coûte, Sollte es nicht gelingen, so muss dennoch in Berlin gehandelt werden. Denn es kommt nicht mehr auf den praktischen Zweck an, sondern darauf, dass die deutsche Widerstandsbewegung vor der Welt und der Geschichte unter Einsatz des Lebens den entscheidenden Wurf gewagt hat. Alles andere ist dagegen gleichgültig.“ 


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Stauffenberg Erinnerungsstätte Stuttgart
Programm zum Jahrestag des Umsturzversuchs:
https://www.hdgbw.de/stauffenberg-erinnerungsstaette-stuttgart/

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Buchempfehlungen
Vom Dr. Felicitas von Aretin, SI-Club München und Ellen Ringshausen, SI-Club Lüneburg

  • Valerie Riedesel Freifrau zu Eisenbach | Der Flieger im Widerstand. Cäsar von Hofacker, Das Stauffenberg-Attentat und der Umsturz in Paris | Piper 2024 
  • Frauke Geyken | Wir standen nicht abseits. Frauen im Widerstand | CH Beck 2014 
  • Ruth Hoffmann | Das deutsche Alibi. Mythos „Stauffenberg-Attentat – wie der 20. Juli 1944 verklärt und politisch instrumentalisiert wurde | Goldmann 2024
  • Tim Pröse | Wir Kinder des 20. Juli: Gegen das Vergessen. Die Töchter und Söhne des Widerstands gegen Hitler erzählen ihre Geschichten | Heyne 2024