80 Jahre 20. Juli 1944: Frauen im Widerstand

Kommentar der Soroptimist International Deutschland Präsidentin Manuela Nitsche

Am Samstag jährt sich das von Claus Schenk Graf von Stauffenberg verübte Hitler-Attentat zum 80. Mal. In Berlin wird der regierende Bürgermeister Kai Wegner ein Grußwort und Bundeskanzler Olaf Scholz eine Ansprache halten sowie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier einen Kranz niederlegen – an dem Ort, an dem Claus Schenk Graf von Stauffenberg in der Nacht zum 21. Juli 1944 erschossen worden war.

Adolf Hitler und der ehemalige Reichskanzler und Propagandaminister Joseph Goebbels sprachen kurz nach dem Attentat von einer „kleinen Clique ehrgeiziger Offiziere“, die für den Anschlag verantwortlich seien. Die neuere Forschung zeigt hingegen, dass es sich um ein weitverzweigtes Netzwerk von rund 200 Personen handelte und der 20. Juli sich keineswegs auf das Militär beschränkte: Die Beteiligten stammten vielmehr aus allen Schichten der Gesellschaft. So waren neben den Militärs wie General Erich Fellgiebel oder Oberst Berndt von Kleist, der Sozialdemokrat Julius Leber ebenso beteiligt wie der Theologe Dietrich Bonhoeffer, der Industrielle Walter Cramer, der Gutsbesitzer Heinrich Graf zu Dohna-Schlobitten, der ehemalige Oberbürgermeister von Leipzig Carl Goerdeler oder der Gewerkschaftler Wilhelm Leuschner. 

Lange Zeit wurde die Rolle der im Widerstand tätigen Frauen auf die Rolle der unterstützenden Mitwisserinnen reduziert. Inzwischen wissen wir, dass beispielsweise Marion Gräfin Yorck von Wartenburg als Mitglied des Kreisauer Kreises ebenso gegen das Unrechtsregime kämpfte wie die spätere Psychoanalytikerin Clarita von Trott zu Solz und die Schulleiterin Elisabeth von Thadden. Auch die Reformpädagogin Rosemarie Reichwein, die Lektorin Mildred Harnack-Fish oder die jüdische Kommunistin Lisa Fittko leisteten Widerstand. Die Sekretärin Margarethe von Oventippte mit Handschuhen den Umsturzplan „Operation Walküre“ und andere Befehle, die nach dem Tod Hitlers aktiviert werden sollten. Emmi Bonhoeffer, die Frau von Klaus Bonhoeffer war in die Widerstandspläne ihrer weitverzweigten Verwandtschaft eingeweiht und hatte die Aufgabe von zuhause aus, verschlüsselte Telefonate mit den Mitverschwörern zu führen, um z. B. gespendetes Geld für die Finanzierung des auszurufenden Generalstreiks nach dem gelungenen Attentat in ihrem Haus abholen zu lassen. 

In der Evangelischen Versöhnungskirche Dachau ist seit Kurzem eine Leihausstellung zum Thema „Frauen im Widerstand“ zu sehen. Sie widmet sich auch den eher unbekannten Widerstandskämpferinnen wie der jüdischen Sozialarbeiterin Hannah Karminski oder die Niederländerin Mary Vaders, die im KZ Dachau als Zwangsarbeiterin inhaftiert war. 

In einer Zeit des Populismus und einer erschütterten Demokratie können diese Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit in politischer Weltanschauung, Religion und Parteiangehörigkeit zu Vorbildern werden. Denn sie wagten es, unter der Gefahr ihres eigenen Lebens und das ihrer Familie, gegen ein Unrechtsregime aufzustehen und sich zu engagieren. Ihre Bedeutung liegt in ihrer Unbeirrbarkeit und vor allem ihrem Mut. Von Generalmajor Henning von Tresckow ist ein inzwischen berühmtes Zitat überliefert, das den Willen und die Bereitschaft zum Handeln zeigt: „Das Attentat muss erfolgen, coûte que coûte, Sollte es nicht gelingen, so muss dennoch in Berlin gehandelt werden. Denn es kommt nicht mehr auf den praktischen Zweck an, sondern darauf, dass die deutsche Widerstandsbewegung vor der Welt und der Geschichte unter Einsatz des Lebens den entscheidenden Wurf gewagt hat. Alles andere ist dagegen gleichgültig.“ 


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Stauffenberg Erinnerungsstätte Stuttgart
Programm zum Jahrestag des Umsturzversuchs:
https://www.hdgbw.de/stauffenberg-erinnerungsstaette-stuttgart/

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Buchempfehlungen
Vom Dr. Felicitas von Aretin, SI-Club München und Ellen Ringshausen, SI-Club Lüneburg

  • Valerie Riedesel Freifrau zu Eisenbach | Der Flieger im Widerstand. Cäsar von Hofacker, Das Stauffenberg-Attentat und der Umsturz in Paris | Piper 2024 
  • Frauke Geyken | Wir standen nicht abseits. Frauen im Widerstand | CH Beck 2014 
  • Ruth Hoffmann | Das deutsche Alibi. Mythos „Stauffenberg-Attentat – wie der 20. Juli 1944 verklärt und politisch instrumentalisiert wurde | Goldmann 2024
  • Tim Pröse | Wir Kinder des 20. Juli: Gegen das Vergessen. Die Töchter und Söhne des Widerstands gegen Hitler erzählen ihre Geschichten | Heyne 2024 



Käthe Kollwitz ganz nah!

Schwarz-Weiß Fotografie von Hannelore Fischer vor einer Zeichnung von Kätze Kollwitz.

Zum Clubabend im Januar 2023 war Hannelore Fischer, die ehemalige Direktorin des Käthe Kollwitz Museums Köln, im SI-Club Stuttgart zu Gast. Sie stellte uns Werk und Lebensstationen dieser bedeutenden Künstlerpersönlichkeit des 20. Jahrhunderts vor.

Das Käthe Kollwitz Museum in Köln ist die weltweit größte Sammlung von Werken der Künstlerin. Trägerin ist die Kreissparkasse Köln, die 1983 aus deren Nachlass als Grundstock einige Blätter erwarb und in den folgenden Jahrzehnten weitere Werke ankaufte. Heute enthält das Museum in Köln über 300 Zeichnungen, mehr als 500 Druckgraphiken sowie das komplette plastische Werk von Käthe Kollwitz.

Hannelore Fischer hat diese Sammlung und das Museum engagiert aufgebaut, durch wegweisende Ausstellungen und Publikationen einer großen Öffentlichkeit bekannt gemacht und zu internationaler Beachtung geführt. Sie vermittelte uns die eindrucksvolle Bildwelt von Käthe Kollwitz mit großer kunsthistorischer Expertise und Leidenschaft. Die existentiellen Themen wie Krieg, Armut, Tod, aber auch Liebe und Geborgenheit finden in diesem Werk eindringliche Bildlösungen, die bis heute nichts an Aktualität verloren haben. Zusätzlich war der Vortrag von Hannelore Fischer auch ein soroptimistischer Brückenschlag zwischen dem SI-Club Köln, dem Hannelore Fischer bis 2022 als Vizepräsidentin vorstand, und unserem SI-Club Stuttgart.

Literaturtipp
Bestellbar auch über museum@kollwitz.de